Kladde
 
Mittwoch, 1. Februar 2006

Vor zwei Jahren las Urs Widmer aus dem Buch des Vaters. Es war eine lange Lesung, die mir wieder zeigte, wie schwer es für mich ist, Vorgelesenem für länger Zeit aufmerksam zuzuhören. Aber sie zeigte auch Wirkung: Noch immer sind mir die vorgelesenen Szenen vor Augen, mehr als hätte ich sie gelesen. Denn es passiert mir leider allzuhäufig, dass vom Gelesenen wenig Eingang ins Gedächtnis findet.
Um so erstaunter war ich, diese Erinnerungen noch so frisch und komplett vorzufinden, als ich nun nach einiger Verzögerung Das Buch des Vaters las.

Ähnlich wie Der Geliebte der Mutter ist es eine todtraurige Geschichte. Hier aber durchzogen von Witz und Heiterkeit. Der Vater war ein aufbrausender, sehr lebendiger Mensch, dessen Enthusiasmus ansteckend gewesen sein muss. Und dessen Einstellung zum Geld, bzw das Nichtvorhandensein einer solchen, eine Hausfrau in die Verzweiflung treiben konnte.
Es gab in seinem Schreibtisch eine stets verschlossene Schublade, die nicht etwa ein geheimes Romanprojekt enthielt, sondern mit unbezahlten Rechnungen angefüllt war. Eine Sammlung von Jahrzehnten.

Oft gibt es hier Spiegelungen zum Mutterbuch, so dass ich im Nachhinein glaube, man sollte beide Bücher besser kurz hintereinander lesen.

Im übrigen ist dieses Buch ein weiteres gutes Beispiel dafür, dass 200 Seiten genügen, um eine wunderbare Geschichte zu erzählen und ein ganzes Leben einzufangen.

 
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