Kladde
 
Montag, 13. März 2006
Urs Widmer auf dem Rhein

Vielleicht hatte Urs Widmer Heimweh und so brachte er vorsorglich eine solche Menge Schweizer Wasser mit, dass der Rhein darüber so anschwoll, dass auf die geplante Fahrt des Schiffes, auf dem die Lesung stattfand, verzichtet wurde. Die Moderatorin war dafür sehr dankbar, denn sie wäre ungerne mit dem eindrucksvollen Katamaran an einer Rheinbrücke hängengeblieben. Ich übrigens auch nicht, besonders nicht bei der Kälte.
Ausser heimatlichem Wasser brachte Urs Widmer auch noch einen 63 Jahre alten Gummizwerg mit, der als solcher kaum noch erkennbar ist und das Titelbild seines neuen Romans Ein Leben als Zwerg schmückt. Er scheint eine Art Memento Mori für ihn zu sein, dessen langsame Zerbröselung er auch an sich selbst fühlt.

Der Abend begann mit einer langen Lesung aus dem Roman, der ich einfacher zu folgen vermochte als vor zwei Jahren der Lesung aus dem Buch des Vaters. Das Zwergenbuch nämlich verlangt nicht soviel Konzentration und ist oft aufgelockert durch witzige oder skurrile Begebenheiten. Es war ein Vergnügen zuzuhören.
Anschließend befragte die Moderatorin Herrn Widmer zum Buch und dessen zwei Vorläufern, die ja thematisch zusammenstehen. Leider verbiss sie sich nach einer Weile in ihre Lieblingstheorie des Grundtons und der arme Herr Widmer wusste schon gar nicht mehr, was er noch dazu sagen sollte.
So nebenbei erfuhr man,
dass er mittlerweile lieber horizontal als vertikal wandert,
dass er seines Erachtens schnell schreibt, seine Frau das aber anders sieht,
dass sich die drei Bücher so auseinander ergeben hätten, ohne größeren Plan,
dass er sich als Schriftsteller in einem deutschen Kulturkreis empfindet, der mehr umfasst als die Schweiz,
dass er sich nicht mit Kafka vergleichen will, eigentlich aber doch, weil man ja mehr davon hat, sich mit den Guten zu vergleichen und
dass das Motto "Scheitern. Wieder versuchen. Besser scheitern." von Beckett stammt.

Es war ein so schöner Abend, dass ich diesmal doch auch um eine Signatur anstand. Nicht zuletzt, um mich beim Autoren zu bedanken, wie viele andere auch, was ihn sichtlich freute.
Eigenartig allerdings ist die Datierung der Signatur. 12. November 2006 in Köln. November? Na ja, vielleicht war das sein gefühlter Monat.

 
online for 8012 Days
last updated: 05.08.04, 08:08
status
Youre not logged in ... Login
menu
... home
... impressum
... weblogs (nicht nur)
... eigen
... lieblinge
... search
... topics
... Home
... Tags

... antville home
Mai 2024
So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.
1234
567891011
12131415161718
19202122232425
262728293031
August
recent
Diese Kladde ist voll. Hier geht es weiter.
Diese Kladde ist voll. Hier geht es weiter.
by regina dinter (18.08.06, 09:49)
Aus dem literarischen Leben:
29.7.2002 Marty Krugmann rastet aus. Die Folgen sind für ihn und seine Frau fatal. (Robert Wilson - The Silent and the Damned 2004)
by regina dinter (30.07.06, 08:22)
Aus dem literarischen Leben:
01.07.19.. Der Erzähler kommt in Meona an. (Wolfgang Hildesheimer - Masante 1973)
by regina dinter (02.07.06, 19:09)
Seht und weint
Marginalia and other crimes.
by regina dinter (02.07.06, 07:26)
(...)Wenn überhaupt jemals etwas für mich spräche, so wäre es dies - ein bescheidener Stolz -: daß niemand jemals vor...
(...)Wenn überhaupt jemals etwas für mich spräche, so wäre es dies - ein bescheidener Stolz -: daß niemand jemals vor mir Angst gehabt hat; ich hätte auch mit einer solchen Schande nicht leben können. Wolfgang Hildesheimer - Masante
by regina dinter (11.06.06, 07:45)

RSS Feed

Made with Antville
powered by
Helma Object Publisher